Montag, 23. Oktober 2017

120. Jahrestag - Königin Margherita von Italien, Chef des Kurhessischen Jägerbataillon No 11

Teil I 
Die Ernennung

Viele Leser wissen, daß die beliebte Pizza "Margherita" im Jahre 1889  von dem Pizzabäcker Raffaele Esposito zu Ehren der Königin Margherita von Italien kreiert und nach ihr benannt wurde. Ein entsprechendes Dokument (11.06.1889), bewahren seine Nachfahren in der Pizzeria Brandi in Neapel bis heute auf. - Aber, was die meisten Leser nicht wissen, Königin Margherita von Italien war auch Chef des Kurhessischen Jägerbataillon No 11 (vormals Jägerbataillon 11) zu Marburg an der Lahn.  



Wikipedia - Creative Commons CC BY SA
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  Vor 120 Jahren ernannte 
Kaiser Wilhelm II 
während der Kaiserparade
in Homburg vor der Höhe
 verbal die ebenfalls anwesende
Königin Margherita von Italien
 (Margarethe von Savoyen 
/ Margherita di Savoia)
am 05. September 1897  
zum Chef des 
Kurhessischen Jägerbataillon No. 11 
zu Marburg an der Lahn.

Eine Urkunde wurde von 
Kaiser Wilhelm II 
am 23. Oktober 1897 unterzeichnet.

Der Titel "Chef" war ein Ehrentitel.



Es war im Herbst 1897. Das XI. Armeekorps zu Marburg hatte Kaisermanöver. Zwei Tage vor der Kaiserparade teilte der Kommandant des Hauptquartiers dem Generalkommando mit, daß zur Kaiserparade am 5. September 1897, die in der Nähe von Homburg vor der Höhe stattfinden sollte, der König und die Königin von Italien mit einem Sonderzug auf dem Bahnhof Homburg v. d. H. eintreffen und vom Kaiser empfangen würde.

Königin Margherita von Italien in der Uniform der Marburger Jäger
Das XI. AK hatte somit eine Ehrenkompanie zu stellen. Der Kommandierende General, General der Infanterie von Wittich, war gerade im Begriff, eine Erkundungsreise durch das Manövergelände anzutreten. Begleitet von seinem Adjutanten, Graf von Pfeil, fuhren sie auch zu dem Bahnhof Homburg v. d. H., um festzustellen, wie dort die Ehrenkompanie zu platzieren sei. Für eine lnfantrie Ehrenkompanie mit Fahne, Musik, Spielmannszug, allen direkten Vorgesetzten mit ihren Adjutanten und sonstigen Offizieren des Stabes benötigte man etwa 145 Schritt. Nun hatte Homburg v. d. H. aber nur einen kleinen Bahnhof. Der Bahnsteig, dessen Länge der Adjutant, Graf von Pfeil, abschreiten mußte, war aber nur knapp 100 Schritt lang.

Der kommandierende General wurde ganz aufgeregt, "das geht doch gar nicht. Da müssen wir ja eine Rampe bauen, aber wie sieht das aus! Wir machen uns ja lächerlich". Der Adjutant, Graf von Pfeil, zieht aus dem Ärmelaufschlag seines Überrocks einen Briefumschlag und wirft auf dessen Rückseite schnell ein paar Zahlen. Dann wendet er sich an seinen General: "Exzellenz, ich habe einen Gedanken"" Na und das wäre", fragte der General. "Wir nehmen statt einer Infanteriekompanie eine Kompanie der 11. Jäger. Diese ist etwa 20 Rotten schwächer, und der Spielmannszug fällt weg. Die Musik der Jäger hat keine Pauke, kein Schlagzeug und keine kleine Trommel und ist außerdem noch um sechs Rotten schwächer, als die Musik eines Infanterie- Regimentes. Außerdem sparen wir den Platz für drei Vorgesetzte mit ihrer Begleitung. Alles in allem sparen wir so mindestens 55 Schritte, damit kommen wir aus. "Pfeil, Sie sind doch ein Mordskerl" sagte hierauf sichtlich erleichtert der General. "Veranlassen Sie das Weitere".

Der Besuchstag kam. Auf dem Bahnsteig steht eine Kompanie der 11. Jäger zu Marburg in Paradeaufstellung, am rechten Flügel die Fahne, flankiert von zwei Fahnenoffizieren, rechts davon der Kompaniechef, Hauptmann Freiherr von Buttlar, rechts von ihm die Musik und rechts von dieser der Bataillons- Kommandeur, Major von Borries mit seinem Adjutanten Sec.Lt Moldenhauer. Außerdem waren bei der Ehrenkompanie angetreten die Prem. Leutnants Arndts und Weerth sowie die Sek. Leutnants Becker, Freiherr Schenk zu Schweinsberg und Freiherr Nordeck zu Rabenau. Dem Kommandierenden General wird die Kompanie gemeldet. Er nimmt mit den Herren seines Stabes seinen Platz rechts vom Bataillons- Kommandeur ein. Da kommt auch schon das Kaiserpaar mit Gefolge.


Als der Kaiser die Jägerkompanie sieht, sagt er etwas erstaunt zum General v. Wittich: "Ach, Sie haben eine Jägerkompanie als Ehrenkompanie befohlen!" Der General konnte nur noch "Zu Befehl Euer Majestät" antworten, denn schon fuhr der Sonderzug ein. Dem Salonwagen entstieg König Humbert von Italien, ihm folgte die schöne Königin Margherita.

Nach der Begrüßung schreitet der Kaiser mit seinen Gästen die Front ab, wobei die Königin zum Kaiser sagte: "Was sind das für schöne Soldaten, was haben sie für schmucke Uniformen! Mit ihren Haarbüschen erinnern sie mich etwas an unsere Bersaglieri !"

Am gleichen Abend ist im Schloßhof großer Zapfenstreich. Am folgenden Tag die große Kaiserparade.


Für die in Homburg liegenden Truppen ist Feldgottesdienst befohlen. Aber noch ein anderer Befehl wird dem Kommandierenden General durch einen Flügeladjutanten überbracht: "Am Sonntag um 11 Uhr steht das 11. Jägerbataillon auf der großen Wiese im Kurpark in Paradeaufstellung."

Der nächste Tag ist Sonntag. Der König und die Königin von Italien, der König von Sachsen, die bayrischen Prinzen und der Reichskanzler Fürst Hohenlohe begaben sich zum Gottesdienst in die katholische Kirche. Die Gäste wurden am Portale von der Geistlichkeit empfangen und in die Kirche geleitet.

Das 11. Jägerbataillon nahm indessen, wie befohlen, in einem offenen Viereck Aufstellung. 


Um 11 Uhr fand in Anwesenheit der Fürstlichkeiten im Kurpark der angeordnete Feldgottesdienst statt. Nach Schluß desselben trat der Kaiser mit der Königin Margherita am Arm hervor, hinter ihnen die Kaiserin mit König Humbert und das Gefolge. Nachdem der Bataillons-Kommandeur das Bataillon gemeldet hatte, hielt der Kaiser an das 11. Jägerbataillon eine Ansprache, in der er die Leistungen des Bataillons lobte und ihm mitteilte, es hätte die große Ehre, daß die Königin von Italien geruht habe, die Stelle als Chef des Bataillons anzunehmen. Der Kaiser schritt hierauf mit der Königin am Arm die Front des Bataillons ab. Die Musik spielte den italienischen Königsmarsch. Die Königin richtete sodann einige freundliche Worte an das Bataillon. Ein Parademarsch sämmtlicher anwesenden Truppen schloß die Feier.

Von nun an war die Königin Margherita von Italien Chef des später in Kurhessisches Jägerbataillon No 11 umgenannten 11. Jägerbataillon zu Marburg an der Lahn.

Die Hessische Landeszeitung beschreibt dieses Ereignis in ihrer Ausgabe zum 100jährigen Jubiläum des Kurhessischen Jägerbataillon No. 11 am 09.08.1913 in der Festbeilage wie folgt:
           Am 4. Sept. 1897 fand eine große Kaiserparade bei Homburg v. d. H. statt und im Anschluß daran
           wurde am 5. Sept. Ihre Majestät die Königin Margherita von Italien zum Chef des Bataillons ernannt
           und durch A. K. O. (Allerhöchste Kabinetts-Ordre) vom 23. Oktober 1897 dann dem Bataillon der 

           heutige Namenszug verliehen. 


Urkunde vom 23. Oktober 1897


Der Text der Urkunde lautet:


 Ich habe bestimmt, daß das Bataillon auf den Epauletten (breite  Achselstücke der Offiziere) und Achselstücken (Offiziere Felduniform) beziehungsweise Schulterklappen (Mannschaften und Oberjäger) fortan  den Namenszug  seines  erhabenen  Chefs ,  der Königin von Italien Majestät,   nach  den von  Mir genehmigten  Proben (von Uniformprobe, heute Entwurf) trägt.  Ich erwarte, daß  das Bataillon sich dieser neuen Auszeichnung stets würdig zeigen wird.
Neues Palais den 23. Oktober 1897.

Wilhelm
R. (= I.R., lat. Imperator Rex= königlicher Herrscher).
An das Hessische Jägerbataillon No. 11




Die neuen, von Kaiser Wilhelm II am 23.10.1897 verordneten, Schulterklappen. Das M steht für Margarethe von Italien, wird aber oft falsch als M für Marburger-Jäger gedeutet. Gleichzeitig bilden die gegeneinander gestellten Schenkel des M die Regimentsnummer 11



Mit dem Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915 ruhte das Ehrenamt der Königin Margherita von Italien als Chef des Kurhessischen Jägerbatailon No. 11. Der Ehrentitel Chef wurde ihr nie entzogen. Auf neuen Uniformen der Marburger Jäger befand sich fortan auf den Epauletten, den Achselstücken und den Schulterklappen eine goldfarbene Krone und die Zahl 11 auf rotem Tuch. Das Bild, Königin Margherita von Italien als Chef in der Uniform des Kurhessischen Jägerbataillon No 11, wurde bis Kriegsende mit einem schwarzen Tuch bedeckt. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges, der Auflösung des Kurhessischen Jäger-Bataillon No 11 und der Abdankung von Kaiser Wilhelm II endete das Ehrenamt.




Teil II
Die Überraschung zum 51. Geburtstag und der Besuch in Marburg

In Bearbeitung.



Teil III
Die Aera der Königin Margherita von Italien als Chef des Kurhessischen Jägerbataillon No 11 im Spiegel der damaligen heimischen Presse
In Bearbeitung.

 



Fußnoten



Hintergründe der Ernennung
Die Ernennung der Königin Margherita von Italien zum Chef des Jägerbataillon 11 (später umbenannt in Kurhessisches Jägerbataillon No 11) war geplant und nicht, wie es gerne als Anekdote erzählt wird, spontan. 
Ebenfalls 5. September 1897 wurde der Ehemann der Königin Margherita von Italien, König Umberto von Italien, zum Regimentschef des 1. Hessisches Husaren-Regiment Nr. 13 ernannt, das von da an den Namen Husaren-Regiment „König Humbert von Italien“ (1. Hessisches) Nr. 13 trug.
Zu jener Zeit war es üblich, daß befreundeten ausländische Monarchien und Bündnispartnern im Kaiserreich Ehrentitel verliehen wurden. Solche Ernennungen bedurften einer längeren Vorbereitung; deshalb ist es absolut unwahrscheinlich, daß Kaiser Wilhelm II spontan gehandelt hat.



Chef
Der Titel Chef war ab dem späten 18. Jahrhundert eine Ehrenbezeichnung ohne jegliche Vollmachten, vergleichbar dem so genannten Ehrenoberst in der Britischen Armee. Die Bezeichnung Chef wurde vor allem in Preußen benutzt. Auch
ausländische Monarchen Chefstellen deutscher Regimenter inne.
Näheres hierzu siehe Wikipedia: Chef / Regimentschef




Dreibund
Als Dreibund wird ein geheimes Defensivbündnis zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und dem Königreich Italien bezeichnet. Es entstand am 20. Mai 1882 durch den Beitritt Italiens zum Zweibund, der im Oktober 1879 geschlossen worden war und als separates Vertragswerk weiterbestand. Italien erhoffte sich vom Dreibund einen Rückhalt für seine kolonialen Bestrebungen in Afrika.
Näheres hierzu siehe Wikipedia: Dreibund
 
Am 3. Mai 1915 kündigte Italien den Dreibund und trat in den Ersten Weltkrieg ein. Eine Kriegserklärung an Österreich-Ungarn wurde vom italienischen Botschafter in Wien am 23. Mai 1915 überreicht.
Näheres hierzu siehe Österreichisches Staatsarchiv: Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn 1915



   
Erkennungszeichen ab dem 23. Oktober 1897
Neu angefertigte Schulterstücke

  • Epauletten (breite Achselstücke der Offiziere)
  • Achselstücke (Offiziere Felduniform)
  • Schulterklappen (Mannschaften und Oberjäger)
für die Uniformen des Kurhessischen Jäger-Bataillon No 11 trugen die Königliche Krone und darunter ein großes M. Das M steht für Margarethe von Italien, wird aber oft falsch als M für Marburger-Jäger gedeutet. Gleichzeitig bilden die gegeneinander gestellten Schenkel des M die Regimentsnummer 11.